Widerstand.
25/10/2024
Knut Møyen, 2.v.l. – War Kopf der Widerstands-Gruppe “Milorg” in der Zeit der deutschen Besatzung Norwegens vom 9. April 1940 bis zum 8. Mai 1945. – Ich sitze vor derselben Hütte in der Sonne und fühle mich diesen jungen engagierten Menschen verbunden.
Über eine Workation an einem historischen Ort...
Eine sehr besondere Konferenz geht zuende. Die RSD - Relating Systems Thinking and Design 2024. Sie mündet in einem Offsite in der Nordmarka oberhalb von Oslo. Genauer: in der Studenterhytta – einem Platteau mit mehreren Hütten.
Hier bin ich auf lebendige Geschichte gestoßen: Die Zeiten des norwegischen Widerstands – die Milorg – im Zweiten Weltkrieg und einen Mann, der dabei eine führende Rolle spielte: Knut Møyen.
Wir erleben verwirrende Zeiten neuen rechts-nationalen Denkens, das lauter wird. Dabei gibt es soviel lebendiges Erinnern daran, wohin das einmal geführt hat. Ich will an dieser Stelle deutlich meine Stimme dagegen erheben. Stellen wir uns vor, Knut Møyen würde uns heute einen Brief schreiben, wie könnte der sich lesen?
25. Oktober 1943
Lieber Thomas,
es ist seltsam, dies vor dem Hintergrund eines besetzten Norwegens zu schreiben, da ich weiß, dass auch Ihr gegen rechtes Gedankengut kämpft.
Ich möchte etwas aus meiner Vergangenheit mit Dir teilen,Thomas – eine Erinnerung an meine Tage in der Studenterhytta, den Studentenhütten in den Hügeln oberhalb von Oslo. Dort, in diesen friedlichen, offenen Räumen, habe ich zum ersten Mal wirklich verstanden, welche Kraft in der Gemeinschaft liegt.
In Winternächten saßen wir ums Feuer, eine bunte Mischung aus Studenten aller Schichten, diskutierten Ideen, tauschten Geschichten aus und versuchten, unsere Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Diese Zusammenkünfte waren einfach, aber die Verbindungen, die wir knüpften, waren stark – und sie legten den Grundstein für den Widerstand. Wir kamen aus unterschiedlichen Lebensbereichen, aber unsere gemeinsame Vision für eine bessere Zukunft verband uns miteinander. Ich denke oft an diese Zeit zurück, besonders an den dunkleren Tagen, an denen wir Kraft aus diesem Miteinander schöpfen müssen.
Auch ihr habt die Macht, diese Art von Verbindung aufzubauen. Wenn Ihr Euch dem Extremismus entgegenstellt, ermutige ich euch, systemisches Design zu nutzen, um die Verbindungen innerhalb eurer Gemeinschaften sichtbar zu und zu stärken.
Genau wie mich diese Nächte in Studenterhytta gelehrt haben, ist Widerstand dann am stärksten, wenn er auf gemeinsamen Werten aufbaut. Findet Wege, um sichere Räume zu schaffen, in denen sich Menschen aller Herkunft zugehörig fühlen, Räume, die Verständnis und Widerstandsfähigkeit gegen Hass fördern.
Betrachtet die Natur, die Landschaft mit Bedacht. Damals haben wir jeden Pfad, jeden Weg sorgfältig studiert – wir wussten, welche sicher waren und welche überwacht wurden. Ja, Ihr könnt systemisches Design nutzen, um aufzudecken, wie rechte Bewegungen Fuß fassen, wo Angst gesät wird, und wie Ihr mit Empathie und Wahrheit entgegentreten könnt. Baut Brücken zwischen Gruppen; schafft Systeme der Inklusion, die das Gefüge eurer Gesellschaft stärken.
Und denkt immer daran: Auch kleine Taten ziehen weite Kreise. Jedes Feuer, das wir in diesen Hütten entzündeten, jedes Gespräch, das wir führten, war Teil von etwas Größerem. Heute können kleine Taten – sei es, dass man auf jemanden zugeht, der anders ist als man selbst, dass man sich für Inklusion einsetzt oder dass man Wahrheiten teilt – einen tiefgreifenden Unterschied machen. Zusammen bilden diese kleinen Taten ein Netzwerk der Widerstandsfähigkeit, das nicht zu zerstören ist.
Also, auch in diesen schwierigen Zeiten, bleibt standhaft in Euren Grundsätzen und pflegt die Bande zwischen den Menschen. Schöpft Kraft aus den Menschen um Euch herum, so wie ich es vor all den Jahren in Studenterhytta getan habe. Wisse, dass jeder Schritt, den du in Richtung Einheit und Gerechtigkeit gehst, in eine Zukunft führt, für die es sich zu kämpfen lohnt.
In Solidarität,
Knut Møyen